Herr Wolf betritt das Unternehmen in der Regel durch die Tiefgarage und nimmt den Lift in den 12. Stock, um an einer Sitzung teilzunehmen. Erst als er am Kopfende des Sitzungstisches Platz genommen hat, realisiert er, was er eben sehen musste: Ein Christbaum, mannshoch, Schwerpunktfarbe Silber. Seit er dem Unternehmen vorsteht, hat am Empfang noch nie ein Weihnachtsbaum gestanden. Er kann sich auch an keinen Beschluss erinnern, daran etwas zu ändern. Christbäume fallen zwar nicht in die Kompetenz des Topmanagements, aber Christbäume im Empfangsbereich gehören zum Erscheinungsbild der Unternehmens, und somit zur Corporate Identity. Und diese ist Chefsache! (Vgl. Suter (2013), S. 17.)
Chris Hübel
Die Tatsache, dass sich jemand in sein Revier gewagt hat, beschäftigt ihn während einer längeren Power-Point-Präsentation zu einem Thema, das er nicht mitbekommen hat. Ist der Baum eine Eigeninitiative von Frau Jeschke vom Empfang? Hat er es mit einem strategischem Vorstoß aus der Managementebene zutun? Im ersten Fall müsste er die Aktion mit Wohlwollen aufnehmen, denn Eigeninitiative gilt seit der Neufassung des Organisationshandbuches vor vier Jahren bis zu einem gewissen Grad als erwünscht. Im anderen Fall müsste er hart durchgreifen. Angriffe auf seine Kompetenzen aus dem Umfeld potenzieller Nachfolger müssen im Keim erstickt werden. Er geht die Liste der möglichen Täter durch. Es kommen alle in Frage. Er hebt die Sitzung mit ein paar Schlussbemerkungen auf, die den Eindruck erwecken, er hätte mitbekommen, worum es ging. Im Büro befragt er seine Assistentin so beiläufig wie möglich über die Hintergründe der Christbaumsache. Zu seiner eigenen Erleichterung stellt sich heraus, dass die Initiative dazu von Frau Jeschke ausgegangen und von Beiträgen aus dem Mitarbeiterstab finanziert. (Vgl. Suter (2013), S. 16 ff.)
Gibt es „weibliches Denken“?
Frauen verfügen im Schnitt über etwas bessere verbale Fähigkeiten, wo hingegen Männer mit ihrem räumlichen Vorstellungsvermögen und analytischem Denken vorn liegen. (Vgl. Bösefeldt (2009), S. 57.) Natürlich steht die jeweilige Ausprägung auch stark mit der Sozialisation in Abhängigkeit, welche die vorgeprägten Strukturen dann entsprechend verstärkt. Auch hängt vieles von der persönlichen Vorliebe ab, welche dann zumeist von den Eltern und dem Umfeld vermehrt gefördert wird.
Gibt es typisch männliche- und weibliche Führung?
Es ist ebenso möglich, dass Stärken auf den Gebieten des anderen Geschlechts trainiert und ausgebildet werden. Dies würde dann nicht dem Stereotyp des eigenen Geschlechts entsprechen, ist jedoch in keinem Fall schädlich. (Vgl. Bösefeldt (2009), S. 58.) Schwierig wird es, wenn die bekannten Stereotypen zu einem „Muss“ und dem jeweiligem Geschlecht aufgezwängt werden. „Geschlechtsrollenstereotype werden gebildet als schematisierte, […] stabile Vorstellungsmuster über die „natürlichen“, „richtigen“ Ausprägungen der Geschlechter.“(Assig, et. al. (1999), S. 156.). Es schwingt dann meist eine gewisse Ausschließlichkeit bei der Definition von geschlechtsspezifischen Fähigkeiten mit, welche jedes Individuum in eine vorbereitete Schublade zwängt sowie ihnen Merkmale zuschreibt, um daraus Prognosen über ihr Verhalten und ihre Fähigkeiten abzuleiten. Frauen fällt es schwer sich auf ein Ergebnis zu einigen, denn sie agieren eher impulsiv und lassen sich spontan von ihrer Umwelt beeinflussen. Ihr Willensvermögen ist demnach stark von Gefühlen geprägt. Nun soll der Bogen zur Kurzgeschichte in der Einleitung geschlagen werden: Auch hier kann man erkennen, dass sich Herr Wolf irritiert Gedanken über den Weihnachtsbaum macht. Diese kleine spontane Veränderung von Frau Jeschke hat ihn völlig aus dem Konzept gebracht und er rechnet mit dem Schlimmsten. Um sein Gesicht als Führungskraft nicht zu verlieren, weist er sie an ein paar Dinge umzudekorieren. Dies drückt seine Machtposition gegenüber von Frau Jeschke aus. Weiterlesen →